Nachrichten | Saturday, 08. November 25

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Um allein den C02-Austoß des deutschen Straßenverkehrs zu schlucken, bräuchte es einen Regenwald der doppelten Waldfläche der Bundesrepublik. (Fotografik: Mediendenk/ Gemini)
Kommentar

Deutscher Klimaschutz: Das Feigenblatt im Regenwald

Man kann es sich auch schönreden.

Friedrich Merz stellt den Schutz des Regenwaldes als zentralen Beitrag zum Klimaschutz heraus. Verantwortung zeigen, global denken. Doch ein Blick auf den Ausstoß der deutschen Autoflotte genügt, um zu erkennen, dass hier Symbolpolitik betrieben wird: Das Versprechen wirkt groß – die Wirkung bleibt gering.

Der motorisierte Straßenverkehr verursacht hierzulande jährlich rund 115 Millionen Tonnen CO₂. Wollte man diese Menge allein über Aufforstung kompensieren, wären 11,5 Millionen Hektar Regenwald nötig*. Das entspricht fast dem gesamten nutzbaren Ackerland in Deutschland. Oder dem Doppelten der deutschen Waldfläche. In Relation zum Amazonas: etwa 14 Prozent.

Die Kosten dafür liegen konservativ gerechnet bei mindestens 17 Milliarden Euro. Einmalig, nur für Pflanzung und Pflege**. Der jetzt von Merz angekündigte "namhafte Betrag" für „Regenwaldschutz“ wird daneben wie ein symbolischer Betrag erscheinen. Politisch bequem, ökologisch unzureichend.

Der gesamte Verkehrssektor war laut Umweltbundesamt im Jahr 2023 für rund 146 Millionen Tonnen Treibhausgase (CO₂-Äquivalente) verantwortlich. Sein Anteil an den deutschen Emissionen ist seit 1990 von 13 auf 22 Prozent gestiegen.

Pro Kopf verursacht der Verkehr in Deutschland derzeit etwa 2,16 Tonnen CO₂ pro Jahr. Für einen klimaverträglichen Pfad nach dem 1,5-Grad-Ziel liegt das zulässige Gesamtbudget hingegen bei rund 1 Tonne CO₂ pro Person und Jahr – über alle Lebensbereiche hinweg. Allein der Verkehr verbraucht also bereits das Doppelte des klimaverträglichen Jahresbudgets.

Zur Erinnerung: Das 1,5-Grad-Ziel, vor zehn Jahren in Paris beschlossen, wird nach Einschätzung der Klimaforschung nicht mehr eingehalten werden. António Guterres, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, hat es bei der UN-Klimakonferenz in Belém in diesen Tagen klar benannt: Jeder Bruchteil eines Grads bedeutet mehr Hunger, mehr Vertreibung, mehr Verlust – vor allem für jene, die am wenigsten dafür verantwortlich sind. Das ist ein moralisches Versagen – und tödliche Fahrlässigkeit.“

Fakten zur Politik in Brüssel und Berlin

Das Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 wurde im März 2023 von EU-Rat und Parlament beschlossen. Ziel: nur noch emissionsfreie Antriebe. Doch das Autoland bremst. Im Europaparlament setzt sich die EVP-Fraktion – und damit CDU und CSU – seit 2024 für eine Aufweichung des Verbrenner-Aus ein. Führende Vertreter, darunter der Bayer Manfred Weber, erklärten öffentlich, der Beschluss sei „nicht in Stein gemeißelt“. Teile der deutschen Automobilindustrie unterstützen diese Linie, mit Verweis auf Wettbewerbsfähigkeit und bestehende Fahrzeugbestände. 

Wer ehrlich sein will, sagt: Klimaschutz beginnt in Deutschland auf der Straße, in der Struktur unserer Mobilität.Weg mit den Verbrennern. Weniger Verkehr. Der Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter ist die zentrale Aufgabe unserer Zeit.

Alles andere bleibt ein Feigenblatt, das Zeit kostet, die nicht mehr vorhanden ist.

Hubert Jakob Denk


*Eine Faustregel lautet: Ein Hektar intakter Regenwald bindet im Durchschnitt etwa 10 Tonnen CO2 pro Jahr.

**Die aktuellen Kosten, um 1 Hektar Regenwald neu aufzuforsten, liegen je nach Quelle und Standort sehr unterschiedlich: In tropischen Regionen wie Brasilien etwa mindestens 1.500 Euro pro Hektar inklusive Pflege.​ In Deutschland wird für Mischwald eine Obergrenze von etwa 17.000 Euro pro Hektar angesetzt.

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