Nachrichten | Monday, 02. June 25

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Diese Redaktion stellte das Thema „Videoüberwachung“ bereits vor sieben Jahren auf den Titel – damals waren die zehn Kameras im Klostergarten noch nicht installiert. Mit den „Mauern“ war der umstrittene Hochwasserschutz an Donau und Inn gemeint.
Zwischen Sicherheit und Freiheit

Passau weitet Videoüberwachung und Alkoholverbot aus

Die Stadt Passau plante heute im Stadtrat gleich zwei Schritte, die den Überwachungs- und Verbotsstaat weiter ausdehnen.

Anders als oft behauptet, kamen die härteren Einschränkungen der persönlichen Freiheit nicht von den Grünen, sondern von der SPD-geführten Stadtregierung. Die Tagesordnung enthält zwei brisante Vorlagen: die Wiedereinführung der Videoüberwachung im Klostergarten sowie die Ausweitung des Alkoholverbots auf weitere Bereiche der Innenstadt.

Nachtrag: Mit jeweils acht Gegensstimmen wurden beide Maßnahmen beschlossen. Zur Videoüberwachung gab es eine stundenlange Grundsatzdebatte. Es tauchten viele Fragen auf:

  • Hat eine Kommune die Aufgabe, Verbrechen zu bekämpfen? Nein, das ist Aufgabe der Polizei und der Justiz.
  • Beseitigen Kameras das Angstgefühl? Nein. Nicht nur eine Studie aus dem mit Überwachungskameras gespickten London, die angeführt wurde, belegt dies. Es genügt der Blick nach Gegenüber, auf den ZOB. Obwohl hier die "privaten" Kameras der städtischen Tochter Stadtwerke laufen, haben Eltern Sorge, hier ihre Töchter abfahren zu lassen, wie eine Stadtträtin vortrug.
  • Wird der Beschluss, die Kameras wieder anzuschalten mit dem neuen "Passauer Modell" zu einem erneuten Rechtsstreit führen? Antwort: sehr wahrscheinlich.
     
  • Wurden durch die Kameras im Klostergarten, als sie noch liefen, je Straftaten aufgeklärt? Die Antwort blieb das Rechtsamt schuldig. Der Autor trägt nach: Nach einem Messermord im Sommer 2020 hatten die Kameras vom ZOB zwar die Tat, und die Kameras im" Klostergarte" den flüchtenden Täter festgehalten. Aber der zechte danach eine Straße weiter unbehelligt in einem Lokal, verließ die Stadt - und stellte sich bei der Polizei in Wiesbaden.
     
  • Was nicht angesprochen wurde: Wer garantiert, dass alle Überwachungsmaßnahmen, die heute beschlossen und mit gutgemeinten Argumenten durchgesetzt werden, nicht in naher oder ferner Zukunft missbraucht werden - von einer rechtsextremistischen Regierung?


Dabei hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Mai 2023 klargestellt, dass die Videoüberwachung im sogenannten Klostergarten, im Platanenpark südlich vom ZOB, unverhältnismäßig ist. Die Beschwerde der Stadt wurde im Jahr darauf vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig abgewiesen.

Nun versucht die Stadt, mit einem sogenannten „Treuhandmodell“ und einer begleitenden Satzung zur „sicheren und attraktiven Gestaltung“ des Parks die Überwachung durch die Hintertür wieder einzuführen. Die Kameras sollen künftig nicht mehr live auf übertragen, sondern die Aufnahmen in einer abgeschotteten Form gespeichert und nur im Anlassfall ausgewertet werden.

Kritiker sprechen von einem Etikettenschwindel: Überwachung bleibe Überwachung – und die Grundsatzfrage nach dem Verhältnis von Sicherheit und Freiheit sei nicht aus der Welt.

Die Stadt hatte 2018 begonnen, den belebten Platz im Stadtzentrum zu überwachen. Es sind zehn Kameras montiert, davon zwei schwenkbare.

Zeitgleich will die Stadt auch das seit 2021 bestehende Alkoholverbot rund um den Zentralen Omnibusbahnhof und dem Neue-Mitte-Park verschärfen. Künftig soll der Konsum und das Mitführen alkoholischer Getränke auch auf dem Weg bis zum Ludwigsplatz untersagt sein – ein Eingriff in den öffentlichen Raum, der in einem Land, das sich als Bier- und Festkultur versteht, zunehmend widersprüchlich wirkt.

Während die CSU auf Landesebene mit ihrem Verbot gendergerechter Sprache symbolpolitisch in Grundrechte eingreift, ist es in Passau die SPD, die mit Einschränkungen im Alltag nachzieht. Es wäre der Moment, in dem sich eine liberale Kraft für die Bürgerrechte starkmacht – doch die FDP, wie sie unter Max Stadler (1949-2013) existierte, ist im Passauer Stadtrat nicht mehr vertreten. Stadler verdanken wir es, dass die Rathaussitzungen transparenter wurden, die öffentliche Übertragung ins Netz gestartet wurde; leider bis heute ohne Mediathek, damit beispielsweise Berufstätige den Inhalt zu einem späteren Zeitpunkt abrufen können.

Der frühere Bundesvorsitzende Guido Westerwelle (1961-2016) hatte einst gewarnt: „Man kann mit dem Vorwand, die Sicherheit brauche das, jede gesetzliche Verschärfung beschließen“. Und: “Freiheit stirbt immer zentimeterweise“. Ein freiheitlicher Staat muss mehr leisten als nur Sicherheit. Er muss auch Freiheit sichern. An diesem Grundsatz droht Passau sich zu verlieren.

Die öffentliche Sitzung beginnt heute um 16.15 Uhr im Großen Redoutensaal.

hud

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