Printmagazin | Freitag, 23. Dezember 16
Passau hat seine größte Silvesterfeier abgesagtDie "Straße der Kaiser und Könige" führt in der Dreiflüssestadt über den Inn. Sie ist die einzige innerstädtische Verbindung für den motorisierten Verkehr zwischen der Altstadt und dem südlichen Stadtteil Innstadt, der wie eine Enklave auf österreichischer Seite liegt. Seit Ende der 1990er Jahre ist diese Brücke mehr und mehr zum Silvestertreffpunkt für feierndes Volk geworden. Es strömt aus den umliegenden Kneipen und Wohngebieten herbei, um hier das neue Jahr mit Feuerwerk und Böllern zu begrüßen. Von der Brücke aus sind beleuchtete Wahrzeichen der Stadt sichtbar: der Dom, das Kloster Mariahilf, die Veste Oberhaus. Nach dem Anschlag in Berlin zog die Stadt Passau heuer einen vorübergehenden Schlussstrich unter diese Silvestertradition. Sie hat diese Brückenparty verboten. Beweggrund war die "breite öffentliche Diskussion über die Sicherheit von Großveranstaltungen", die sogenannte abstrakte Terrorgefahr. Ein Reporter der "Passauer Neuen Presse", der gestern zufällig ein Gespräch mit dem Oberbürgermeister auch zum Thema Sicherheit führte, hatte von der Entscheidung als Erster erfahren und seinen Bericht nachmittags ins Netz gestellt. Um 16.30 Uhr wurde das Silvesterverbot mit einer Pressemitteilung aus dem Rathaus offiziell bestätigt. Bis zu schätzungsweise 1.000 Menschen feiern alljährlich Silvester auf dieser Brücke, die König Ludwig I. gewidmet ist, nach dem Zweiten Weltkrieg auf Vorschlag der Kirche "Marienbrücke" genannt wurde, im Volksmund heute schlicht Innbrücke heißt. Die Polizei bestätigt, dass bei dieser Silvesterparty bis dato nie etwas passiert sei. Wer dort feierte wusste, dass er sich einem bestimmten Stress aussetzt. Ohrenbetäubende Böller, welche Scherzbolde mitten in der Menge explodieren lassen, Funkenregen durch abfliegende Raketen. „Ein Wunder, dass bei dem Gedränge noch kein Betrunkener in den Fluss gestürzt ist“, sagt ein Beobachter. Umweltbewusste Bürger regten sich auf, das Silvesterabfall im Fluss landete. Die Stadt hat deshalb damit begonnen, Abfallbehälter aufzustellen. Das Verbot der Silvesterparty auf der Marienbrücke polarisiert.
Der Oberbürgermeister und sein Ordnungsamt befinden sich im Dilemma. Sie bleiben angreifbar, egal wie sie argumentierten:
„Es wäre vielleicht anders, wenn es für diese Brückenparty einen Veranstalter gäbe und man diesen mit Auflagen belegen könnte“, glaubt der Mitarbeiter einer Sicherheitsbehörde. Wenn jemand haften würde, wären die Verantwortlichen der Stadt aus dem Schneider. Blick eine Woche zurück, vor dem Anschlag in Berlin: „Das Konzept hat sich in den Vorjahren gut bewährt, daher ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit größeren Änderungen zu rechnen“, wird Rathaussprecher Herbert Zillinger zur Silvesterfeier auf der Brücke von der Tageszeitung zitiert. Die Pressesprecherin der Polizei, Alexandra Lachhammer, sagte damals „Passau ist sicher“ und erklärte, man werde allenfalls die Zahl der Einsatzkräfte erhöhen.
Berlin war ausschlaggebend „Polizeibeamte sind flexibel“, antwortet Lachhammer, danach gefragt, wie es aussieht, wenn sich das Partyvolk jetzt auf andere Brücken konzentriert, beispielsweise Innsteg oder Hängebrücke. "Man könnte Silvester auch bei einem Waldspaziergang feiern, aber wer garantiert dann, dass mir kein Baum auf den Kopf fällt", sagt ein Passauer Student.
Unbequem, aber verantwortungsvoll
Für Fußgänger und Radfahrer gesperrt Stimmen aus den sozialen Netzwerken: "Soviel zum Thema wir sollten uns nicht einschüchtern und einschränken lassen", "Es ist doch ohnehin schon genug passiert auf der Innbrücke, da es immer Blöde gegeben hat, die ihre Kracher mitten in die Menschenmenge schmeißen", "Dann lasst uns Silvester gleich absagen!", "Der größte Blödsinn kommt zum Jahresende", "Sehr vernünftige Lösung"; "Dupper und die Stadt Passau haben entschieden: Ihr Antwort lautet Angst"; "...was mehr als 13,5 Teilnehmer hat, gilt als terrorriskante Massenveranstaltung?"
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